August 5

Singen ist gesund und macht glücklich


Singen hat auf verschiedenen Ebenen zahlreiche positive Wirkungen auf die körperliche, psychische und soziale Gesundheit. Diese Zusammenhänge werden bereits seit vielen Jahren untersucht und sind durch wissenschaftliche Studien belegt.

Intuitiv naheliegend sind dabei die förderlichen Wirkungen auf Faktoren wie Wohlbefinden, Entspannung, Stressabbau und soziale Verbundenheit. Aber auch auf körperlicher Ebene liefert die Forschung Belege für positive Wirkungen. Darüber berichtet auch die AOK in ihrem Gesundheitsmagazin.


Wohlbefinden


Freude statt Ehrgeiz

Mit dem gemeinsamen Singen verbinden wir automatisch Freude, Wohlgefühl, Fröhlichkeit und ein Gefühl der Entspannung.

Dies konnte wissenschaftlich belegt werden in einer Untersuchung von Grape et al. aus dem Jahr 2002. Hier wurde das Wohlfühlhormon Oxytozin als Indikator für höheres Wohlbefinden und geringere Erregung gemessen und die Autoren stellten fest, dass sowohl bei professionellen Sängern als auch bei Amateuren der Oxytocin-Spiegel nach der Singstunde signifikant angestiegen war. Beide Gruppen fühlten sich anschließend deutlich energetisierter und entspannter. Besonders die Amateure, die die Singstunden nicht unter dem Leistungsaspekt betrachteten, sondern sie zum Selbstausdruck nutzen und zur Verringerung von emotionalen Spannungen, berichteten anschließend verstärkte Freude und Hochgefühle.

Daraus lässt sich der wichtige Hinweis ablesen, dass der Fokus hier nicht auf komplizierten Melodien und Texten und hohem Anspruch liegen sollte. Stattdessen geht es um das zweckfreie Genießen, sich hingeben und die Freude am Singen. Ohne Perfektionsanspruch und Leistungsdruck.

Menschen mit psychischen Belastungen

Eine Steigerung des Wohlbefindens durch das Singen ist nicht nur bei Menschen zu beobachten, die einfach aus Freude dieser Tätigkeit nachgehen, sondern auch und vielleicht sogar besonders bei Menschen, die bereits belastet oder sogar klinisch erkrankt sind.

So ließ sich in einer neueren Studie von Clift et al. (2017) eine signifikante Reduktion der mentalen Belastung und eine signifikante Erhöhung des Wohlbefindens durch das Singen nachweisen. Der Effekt zeigte sich hier an einer Gruppe psychisch kranker Personen mit Symptomen von Schlafstörungen über Depressionen bis hin zu bipolaren Störungen.

Ältere Menschen

Gerade auch ältere Menschen können vom Singen profitieren, wie Ahessy 2016 zeigen konnte. Der Einsatz eines Musiktherapie-Chors in einer randomisierten kontrollierten Studie führte zu einer Reduzierung depressiver Symptome um 54%, einem Anstieg der Lebensqualität um 57% und sogar zu einem signifikanten Anstieg kognitiver Funktionen.

Da Ältere oft unter Einsamkeit leiden und zuweilen in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind, ist Singen für sie eine wunderbare Möglichkeit, mit anderen Menschen zusammenzukommen. Eine Möglichkeit, die kostenlos ist und keine besonderen Fähigkeiten erfordert.

Kinder und junge Menschen

Auch im jungen Alter lassen sich positive Effekte von gemeinsamem Singen nachweisen, wie in dem systematischen Review von Glew et al. (2021) gezeigt wird. Hier wiesen die qualitativen Studien nach, dass Singen das Wohlbefinden junger Menschen durch soziale Verbundenheit und Selbstvertrauen fördert.

Einen besonderen Blick auf das Singen im Kindesalter hat der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Gerald Hüther, der es in seinem kurzen, aufschlussreichen Artikel als „Kraftfutter für ihr Gehirn“ bezeichnet. Er weist auf die Erleichterung des Spracherwerbs hin, auf die wichtige Erfahrung sozialer Resonanz im gemeinsamen Singen und auf das Singen als idealem Training für Selbststeuerung und Selbstkontrolle.

Soziale Verbundenheit

Wenn Menschen miteinander singen, dann treten sie auf eine Weise miteinander in Kontakt, die über das Erlebnis, zusammen einer geliebten Tätigkeit nachzugehen, hinausgeht. Sie treten ein in einen gemeinsamen Rhythmus, sie verbinden sich über ihren Atem, sie schwingen miteinander. Dies verbindet Menschen auf besondere Weise und fördert gleichzeitig ihre soziale Kompetenz.

Ein aktuelles schönes Beispiel für die Förderung der sozialen Verbundenheit auch oder besonders in Krisensituationen ist das gemeinsame Singen aus verschiedenen Wohnungsfenstern über die Straße hinweg, das in Italien während des Lockdowns in der Corona-Krise stattfand. Hierzu haben Corvo und DeCaro 2020 einen kurzen Artikel verfasst, der darauf hinweist, dass auf diese Weise Gefühle der Einsamkeit verringert und Zusammenhalt sowie psychisches Wohlbefinden gesteigert werden konnten.

Soziale Verbundenheit ist ein wichtiger Faktor der Resilienz. Gerade in unseren stürmischen Zeiten sollten wir diesen Aspekt pflegen und stärken.



Körperliche Wirkungen

Atmung

Die offensichtlichste Wirkung von Singen ist die Vertiefung und Intensivierung des Atems und die Verlängerung des Aus-Atems. Dies geschieht vermehrt beim Singen von einfachen Melodien und Texten und ganz besonders beim Singen von Chants und Mantras.

Diese Vertiefung des Atems ist verbunden mit verbesserter Sauerstoffversorgung im Gehirn und dem gesamten Körper. Zusätzlich wird dadurch der parasympathische Teil des vegetativen Nervensystems angeregt, der für Entspannung sorgt, der Erholung, dem Stoffwechsel und dem Aufbau körpereigener Reserven dient.

In unserer Zeit mit ihren vielfältigen Belastungen und immer wiederkehrenden Stresssituationen kann das Singen durch diese Möglichkeit der Stressreduktion eine enorme Hilfe sein.


Herz-Kreislauf-System

Zwischen der Atmung und dem Herz-Kreislauf-System besteht eine enge Verbindung. So wird durch die Intensivierung der Atmung beim Singen das Herz-Kreislauf-System angekurbelt und gestärkt.

In ihrer Studie von 2013 konnten Vickhoff et al. den Einfluss des Singens auf die Herzfrequenzvariabilität zeigen. Die Herzfrequenzvariabilität bezeichnet die Variation des Zeitabstands zwischen zwei aufeinanderfolgenden Herzschlägen. Je stärker diese Variation, also je größer die Bandbreite von Zeitintervallen, desto gesünder und anpassungsfähiger das Herz. Diese Anpassungsfähigkeit wiederum wird in Verbindung gebracht mit psychologischer Gesundheit, höherer Lebensqualität und geringerer Anfälligkeit für Krankheiten. In der Studie von Vickhoff et al. zeigte sich, dass gerade das Singen von Mantras, das mit einer besonderen Verlangsamung des Atems verbunden ist, die Herzfrequenzvariabilität erhöht.

Immunsystem

Wie zum Beispiel in einer Studie von Beck et al. (2000) gezeigt, wirkt sich Singen auch positiv auf das Immunsystem aus. Die Autoren konnten mit Hilfe von Speichelproben nachweisen, dass sich bei Chorsängern in Folge zweier Gesangsproben und einer Aufführung von Beethovens Missa Solemnis die Menge des Stresshormons Cortisol signifikant reduzierte, während die Konzentration von Immunglobulin A, das für die Abwehr von Erregern an Schleimhautoberflächen zuständig ist, um 240 Prozent anstieg.

Es würde sich also lohnen, neben dem regelmäßigen gemeinschaftlichen Singen in der Gruppe auch immer einmal wieder zwischendurch für sich allein zu singen. So kann man das eigene Immunsystem fördern, welches sehr sensibel auf Stress und Ärger reagiert, aber ebenso positiv auch auf das Singen.

Autorin des Artikels: Anja Malle, B.Sc. Psychologie

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Quellen:

Clift, S., Manship, S., Stephens, L. (2017). Further evidence that singing fosters mental health and wellbeing: The West Kent and Medway project. Mental health and social inclusion 21 (1). http://doi.org/10.1108/MHSI-11-2016-0034

Grape, C., Sandgren, M., Hansson, L.-O., Ericson, M., Theorell, T. (2002). Does singing promote wellbeing?: An empirical study of professional and amateur singers during a singing lesson. Integrative Physiological & Behavioral Science, 38. https://doi.org/10.1007/BF02734261

Ahessy, B. (2016). The use of a music therapy choir to reduce depression and improve quality of life in older adults – a randomized control trial. Music and Medicine 8 (1). https://doi.org/10.47513/mmd.v8i1.451

Glew, S.G., Simonds, L.M., Williams, E.I. (2021). The effects of group singing on the wellbeing and psychosocial outcomes of children and young people: A systematic integrative review. Arts & Health, 13, 3. https://doi.org/10.1080/17533015.2020.1802604

https://musikverein-duesseldorf.de/prof-dr-gerald-huether-ueber-das-singen-4/

Corvo, E.; De Caro, W. (2020). COVID-19 and spontaneous singing to decrease loneliness, improve cohesion, and mental well-being: An Italian experience. Psychological Trauma, 12. http://dx.doi.org/10.1037/tra0000838

Vickhoff, B., Malmgren, H., Aström, R., Nyberg, G., Ekström, S.-R., Engwall, M., Snygg, J., Nilsson, M., Jörnsten, R. (2013). Music structure determines heart rate variability of singers. Frontiers in Psychology, 7 https://doi.org/10.3389/fpsyg.2013.00334

Beck, R.J., Cesario, T.C., Yousefi, A, & Enamoto, H. (2000). Choral singing, performance perception and immune system changes in salivary immunoglobulin A and cortisol. Music Perception, 18 (1) 87-106.



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Karin Hoisl-Schmidt

Über die Autorin

Karin Hoisl-Schmidt liegt die Gesundheitsförderung und mentale Stärkung von Menschen am Herzen. In ihren achtsamkeitsbasierten Seminaren zur Resilienzförderung vermittelt die Psychologin auf lebendige Art fundierte und praxiserprobte Werkzeuge für mehr Gelassenheit. Ihr Ziel: Menschen dazu befähigen, mehr und mehr in innerer Freiheit und wachsendem Wohlbefinden in ihrer Einzigartigkeit aufzublühen

Karin Hoisl-Schmidt

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